Hermannshoftheater

gegründet 2002 von Antje & Johann Karl König

Der Hermannshof war seit 1820 eine traditionelle Bauernwirtschaft, wird aber seit 1988 nach biologisch-dynamischen Prinzipien betrieben. So reichen auch die Wurzeln der Theaterform, die auf dem Hof entsteht, weit in die Geschichte zurück, aber die Vorstellungen knüpfen sich der Gegenwart an und den Fragen, die durch Menschen von heute gestellt werden.

Die Vorstellungen finden ihren primären Ausgangspunkt in einem literarischen Text und dem sorgfältig ausgewählten Spielmaterial, welches wiederum auf der ausgewählten Rahmenerzählung basiert.

Der Produzent stellt sich die zentralen Fragen:

Wer ist der fiktive Erzähler?

Wo sind wir in der Fiktion? – und

Warum ist es notwendig, genau diese Geschichte
zu erzählen?

In dieser letzten Frage fällt der Produzent/Spieler mit seiner fiktiven Figur in eins zusammen – weil sich in der »Notwendigkeit« der fiktiven Figur auch die Begründung des Produzenten verbirgt, genau diese besondere Geschichte auszuwählen, von vielen anderen möglichen.

Als Zuschauer möchten wir in der Lage sein, nicht nur die »Notwendigkeit« der fiktiven Figur zu entschlüsseln, sondern auch die des Produzenten, denn in dieser Decodierung erkennen wir – hoffentlich – Themen wieder, die auch für uns aktuell sind – als Menschen in unserer gemeinsamen sozialen und gesellschaftlichen Wirklichkeit.

Und das ist genau das, was für uns eine Theatervorstellung interessant macht. Das größte und tiefste Erlebnis erhalten wir, wenn die Vorstellung uns erlaubt, neue Blickwinkel in einem vertrauten Problem zu sehen oder uns neue Erkenntniswege zeigt.

Ein Kind, das eine Vorstellung des – leider viel zu früh verstorbenen – Theaterkünstlers Ray Nusselein (1945-1999) gesehen hatte, formulierte es so:

»Es war genau das, was ich gerne sehen wollte, ich wusste es nur nicht«.

Höher kann man kaum reichen.

Oft kann der Theaterkünstler diese »Notwendigkeit« nicht im Voraus in klare Worte fassen. Der Ausgangspunkt mag die Faszination einer bestimmten Situation in einer Geschichte sein, ein Bild, das man gesehen hat oder ein Kommentar, den man gehört hat. Aber bei der Wahl der Spielmaterialien –
Puppen, Musik, Text, Bühnenbild – und in der Inszenierung des Spiels strebt der Künstler an, diese Notwendigkeit auszuforschen und vielleicht wieder zu verstecken und sie auf einer der vielen Erzählebenen, die das reiche Spielmaterial erlaubt, einzuordnen. Als Zuschauer möchten wir ungern eine »Moral« aufgezwungen bekommen. Die »Notwendigkeit« der Vorstellung müsste eine Möglichkeit sein, eine Entdeckung, die wir als Zuschauer machen können.

Das Hermannshoftheater schafft Theater mit Puppen, Objekten, Text, Musik und Bild und es verwendet die theatralische Ausdrucksform, die wir im allgemeinen als »Puppenspiel« bezeichnen, obwohl das Spielmaterial auf der Bühne nicht immer dem gleicht, was man unter »Puppen« versteht, und ungeachtet dessen, dass der Spieler/Theaterkünstler fast immer »mitspielt« und sichtbar auf der Bühne ist.

Die Charakteristik des Puppenspiels ist die ständige Umschaltung des Spielers zwischen den beiden Möglichkeiten, als autonomes »Subjekt« für das Spiel mit dem Spielmaterial umzugehen – und sich als der notwendige »Motor« für das Spielmaterial zur Verfügung zu stellen und sich damit vom Spielmaterial steuern zu lassen. Ganz gleich ob auf der Bühne mit Handpuppen, Marionetten, direkt geführten Puppen, Schattenfiguren, Alltagsgegenständen oder etwas ganz anderem gearbeitet wird, so wurzelt die Faszination in diesem »Sprung« zwischen dem Spieler als Subjekt und der Puppe als Objekt auf der einen Seite – und der Puppe als lebendig gemachtem »Subjekt« mit dem Spieler als notwendigem »Motor« auf der anderen Seite. (Prof. Dr. K. Kavrakova-Lorenz)

Dieser »Sprung« und die »Fremdheit« des Materials schafft Raum und Gelegenheit für die Einfühlung des Zuschauers in die Erzählung, in einer Weise, die sich qualitativ unterscheidet von dem, was Berthold Brecht »Karussell-Theater« nannte, und dass er mit »Planetarium-Theater« ersetzen wollte.

Nun gibt es zwar kein Planetarium auf dem Hermannshof, aber die Vorstellungen des Theaters öffnen für Groß und Klein einen beeindruckenden Blick auf die menschliche Welt und ihre Möglichkeiten – und es gibt Nahrung für Körper und Seele.

Jette Lund – Kopenhagen – März 2017

 

Hermannshoftheater
· Königliche GbR ·

Am Hermannshof 2 (früher Wümme 5)
21255 Wümme
Tel.: +49 04180 405
Fax:+49 04180 222 861

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Vertreten durch:

Antje König & Johann Karl König